Sprache

Die Zeit um 1800 steht fest im Zeichen der Popularisierung des Lesens. Durch neue Bildungskonzepte erhalten immer mehr Menschen die Möglichkeit, lesen und schreiben zu lernen. Das erweitert auch den Adressatenkreis Schöner Literatur. Autoren wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller gehören zu den am meisten gefeierten Persönlichkeiten des Landes. Zugleich bringt die Leselust auch ein Interesse an neuen Stoffen hervor. Die Autor:innen der Romantik begeistern sich für das Fantastische und Schauerliche. Auch das Mittelalter feiert eine neue Renaissance. Die Faszination für Märchen, Rittergeschichten und Sagen spielt einem politischen Anliegen in die Hände, die Kleinstaaterei zu beenden und ein neues Nationalbewusstsein entstehen zu lassen.

Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans (1801)

Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans. Eine Romantische Tragödie. Berlin 1801. BFSt: 207 G 33

Johann Wolfgang von Goethe: West-oestlicher Divan (1819)

Dem aufstrebenden Nationalismus um 1800 setzt Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) das Konzept der »Weltliteratur« entgegen. Vor diesem Hintergrund entsteht auch die Gedichtsammlung West-oestlicher Divan. Das Manuskript des Buchs wurde 2001 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erklärt.

Goethe beschäftigt sich sein ganzes Leben lang intensiv mit dem Islam und der arabischen Kultur. Besonders interessiert ihn der persische Dichter und Mystiker Ḥāfiz (1315/25–1390). Der West-oestliche Divan enthält etliche an Ḥāfiz’ Texten orientierte Gedichte. Sie greifen den mystisch-spirituellen Tonfall des Vorbilds auf.

Ein weiteres Beispiel für Goethes Islam-Studien ist sein Drama Mohamet. Im Zuge seines persönlichen Kontakts zu August Hermann Niemeyer schenkt Goethe den Stiftungen ein Exemplar dieses Dramas. Es ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Johann Wolfgang von Goethe: West-oestlicher Divan. Stuttgart 1819. BFSt: 211 M 3

Wisset nur, dass Dichterworte
Um des Paradieses Pforte
Immer leise klopfend schweben,
Sich erbittend ew’ges Leben.

Johann Wolfgang von GoetheWest-oestlicher Divan, S. 5

Ernst Theodor Echtermeyer: Auswahl deutscher Gedichte (1836)

Auch der Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses beteiligt sich an der Geschichtsschreibung einer deutschen Nationalliteratur. In den 1830er beauftragen die Stiftungen den Lehrer und Philosophen Ernst Theodor Echtermeyer (1805–1844) damit, eine Sammlung deutschsprachiger Gedichte herauszugeben. Das Buch ist vor allem für den Literaturunterricht an Schulen und Universitäten vorgesehen.

Der unter dem Namen »Echtermeyer« berühmt gewordene Gedichtband zählt zu den meistverkauften Büchern des 19. Jahrhunderts. Noch heute wird die Sammlung stetig überarbeitet und erweitert. Der mittlerweile bei Cornelsen in Berlin erscheinende Titel gehört weiterhin zum Standard-Repertoire des Germanistikstudiums.

Theodor Echtermeyer (Hrsg.): Auswahl deutscher Gedichte für die unteren und mittleren Classen gelehrter Schulen. Halle 1836. BFSt: S/VERL:2304

Hans Christian Andersen: Märchen (1845)

Die Märchen des dänischen Autors Hans Christian Andersen (1805–1875) über Däumelinchen, die Schneekönigin oder das Feuerzeug sind wohl auch heute Alt und Jung noch ein Begriff. Sie erscheinen erstmals Ende der 1830er Jahre. Bereits sehr früh übersetzt sie Julius Reuscher (um 1840–1899) in die deutsche Sprache.

Die hier gezeigte Ausgabe der Märchen von 1845 enthält viele aufwendige Lithografien des Künstlers Theodor Hosemann (1807–1875). Die Märchen selbst sind fantasievoll, nehmen oft aber auch einen tragischen Ausgang. Nichtdestotrotz waren sie vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Darauf deuten auch die vielen Kritzeleien hin, die in den Exemplaren der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu finden sind.

Hans Christian Andersen: Märchen. Übers. v. Julius Reuscher. Bd. 1. Berlin 1845. BFSt: 210 F 37

›Lebewohl, lebewohl!‹ sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den warmen Ländern, weit weg nach Dänemark zurück; dort hatte sie ein kleines Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann, vor ihm sang sie ›quivit, quivit!‹ daher wissen wir die ganze Geschichte.

Hans Christian AndersenDäumelinchen, in: Märchen, Bd. 1, S. 52

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Das Bild zeigt das Fragment einer mittelalterlichen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert.

Von der Handschrift zum Buchdruck

Die Abbildung ist ein Detail des Titelblattes zur "Froschmeuseler"-Ausgabe von 1618. Zu sehen sind Frosch- und Mäusekönig, die mit ihren Heeren in den Krieg gegeneinander ziehen.

Literatur in Zeiten des Krieges

Die Abbildung zeigt ein Detail des Frontispiz zu Krügers Träumen. Zu sehen ist ein in der Natur liegender Träumender.

Zwischen Glauben und Wissenschaft

Die Abbildung zeigt eine Illustration aus Andersons Märchenbuch. Zu sehen ist eine Szene aus der Geschichte "Die kleine Meerjungfrau".

Leselust und Märchenfaszination